Gegen Faschisten im Landtag

  • Veröffentlicht am: 23. September 2004 - 14:09

Rede von Silke Stokar, hannoversche Abgeordnete der Grünen im Bundestag, vor dem Bundestag anläßlich des Einzugs der NPD in den sächsischen Landtag.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch Dresden ist jetzt eine Landeshauptstadt mit Faschisten im Parlament. Das ist nicht allein das Problem des Landes Sachsen, sondern ein Problem aller Demokraten in Deutschland.

Ich halte es für richtig, bei der Betrachtung der Wählerinnen und Wähler, die NPD gewählt haben, zu differenzieren. Wir müssen uns aber auch mit den zwölf NPD-Abgeordneten auseinander setzen, bei denen wir nicht differenzieren können. Sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Sie sind weder arbeitslos noch haben sie eine schlechte Ausbildung. Bei ihnen handelt es sich beispielsweise um Ärzte und Unternehmer, also um Menschen, die in Sachsen in der Gesellschaft verankert sind. Zum Teil kommen sie aus Niedersachsen. Der sächsische Parteivorsitzende Apfel ist mir aus Hildesheim sehr wohl bekannt.

Ich möchte noch zur Rolle des Verfassungsschutzes in dem Verbotsverfahren eine Bemerkung machen. Ich hoffe, dass keiner dieser zwölf Abgeordneten jemals auf einer Gehaltsliste des Verfassungsschutzes gestanden hat.

Ich war, als es die Debatten um das NPD-Verbot gab, noch nicht Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ich habe damals gesagt: Wenn man zu der Einschätzung kommt, die damals dem Verbotsantrag zugrunde lag, nämlich dass die NPD gewaltorientiert ist, Gewalt verherrlicht, rassistisch ist und volksverhetzende Inhalte vertritt, dann ist es nicht eine Ermessensentscheidung, sondern eine Verpflichtung der Demokraten, den Versuch zu machen, ein Verbot durchzusetzen.

Ich möchte nicht verhehlen, dass mir von den drei Verbotsanträgen der Antrag des Bundestages am besten gefallen hat. Diesen Antrag hätte auch ich damals voll unterstützen können. Ich will Ihnen sagen, warum. Der Antrag des Bundestages war der einzige, der nicht auf Informationen der verschiedenen Verfassungsschutzämter zurückgegriffen hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Debatte in Niedersachsen. Insbesondere der damalige niedersächsische Innenminister hat neben dem bayerischen Innenminister Beckstein die Bundesebene geradezu gedrängt, einen Verbotsantrag einzubringen. Es wurde versichert, dass es in den Ländern genug Material für einen Verbotsantrag gibt.

Als wir im Niedersächsischen Landtag nachgefragt haben, mussten wir allerdings feststellen, dass der Innenminister schlecht informiert war und dass die Informationen des Verfassungsschutzes nur scheibchenweise an das Parlament weitergeleitet wurden. Wir

mussten uns damit auseinander setzen, dass fast täglich ein neuer V-Mann in der NPD aufgedeckt wurde. Irgendwann sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vorstand der NPD zur Hälfte aus Leuten bestand, die in irgendeiner Weise vom Verfassungsschutz bezahlt wurden. An dieser Situation hat nicht nur einer Schuld. Wir alle müssen uns nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren Gedanken machen, ob die Strukturen des Verfassungsschutzes heute noch richtig sind oder ob wir nicht sehr umfangreiche Debatten über eine Neuordnung führen müssen.

Ich gebe Frau Leutheusser-Schnarrenberger Recht, die einen neuen und anhaltenden Aufstand der Anständigen fordert. Ich möchte hier aber auch sagen, dass es, seitdem es die rot-grüne Bundesregierung gibt, zum ersten Mal auf Bundesebene so etwas wie eine Verstetigung der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gibt. Es gibt das "Bündnis für Demokratie und Toleranz". Wir haben zusammen mit Civitas zahlreiche Projekte ermöglicht; das wurde bereits angesprochen. Über Civitas hinaus ist es gerade der Bund, der in den Ländern Projekte gegen rechte Gewalt finanziert. Ich bedauere, dass Sie im Land Sachsen mit daran beteiligt gewesen sind - ich habe all diese Projekte in den vergangenen Jahren besucht -, diesen Projekten die finanziellen Mittel zu entziehen.

Ich denke, dass wir uns einigen sollten. Nur das kann die Antwort sein. Ich hätte mir nicht so schnell eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass sich der Bundestag so verhält, wie er das in der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus getan hat, dass wir uns zusammengesetzt und gefragt hätten: Wo liegen die Gemeinsamkeiten? Wie können wir mit einer gemeinsamen Entschließung eine Antwort auf den Rechtsextremismus geben?

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Wir sollten uns verständigen und uns darin einig sein, dass die Streichung der Mittel für die Projektarbeit gegen rechte Gewalt und die Senkung der Mittel für andere in diesem Zusammenhang wichtige Bereiche falsch sind. Die Fraktionen sollten im Haushalt 2005 ein anderes Signal setzen.

Danke schön.

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