"Die Kraft der linken Mitte"

  • Veröffentlicht am: 17. November 2009 - 14:26

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Thomas Schremmer, Vorsitzender Stadtverband

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Helmut Lippelt auf der Gründungsversammlung der Grünen (rechts)

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Die zarteste Versuchung ...

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Grün-Alternative Bürgerliste (GABL)

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Hoch hinaus mit den Grünen

Die Grünen Hannover feiern im November 2009 ihr 30jähriges Jubiläum. Ein Beitrag von unserem Gründungsmitglied Helmut Lippelt zu den bewegten Gründungsjahren und ein Artikel zu den Grünen heute vom Vorsitzenden des Stadtverbandes, Thomas Schremmer.

Helmut Lippelt: 30 Jahre KV Die Grünen Hannover

[pic2]Normalerweise besagt eine solche Überschrift, daß solch ein KV 30 Jahre alt ist. In diesem Falle muß man aber korrekter sagen: Was wir feiern, ist die Umgründung des KV Hannover der GLU in den KV Hannover "Die Grünen". Und das kam so:

Zwei Jahre zuvor hatte der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht die Salzstöcke der norddeutschen Tiefebene als geeignet für die Errichtung eines nationalen "nuklearen Entsorgungszentrums" befunden und zur näheren Erkundung 4 Orte genannt, an denen sich alsbald örtlicher Widerstand bildete. Albrecht lud Vertreter der Bürgerinitiativen in die Staatskanzlei, wollte sie beruhigen mit dem Hinweis auf die dicken Aktenordner des Sicherheitsberichts für die Wiederaufbereitungsanlage, sie baten um Einsicht, er gab ihnen dafür eine halbe Stunde, sie fragten nach einem Kopierer, er wurde ihnen verweigert. Daraufhin brachen sie das Gespräch ab und folgerten, die Regierung verstehe offensichtlich nur die Sprache der Macht. Also müssten sie zur Landtagswahl antreten. Das bedeutete, die zu diesem Zwecke gegründete GLU musste landesweit Kreisverbände bilden, die dann pro Wahlkreis mindestens 3 dort ansässige Mitglieder werben mussten, um dort einen Kandidaten aufstellen zu können.

[pic3]In Hannover waren es drei Abiturienten in der BIU (u.a.Uli Schmersow), die sich dieser Aufgabe annahmen, dazu stießen einige Bewohner des selbstverwalteten Hauses Ostwenderstr.3 (Dietlind Preiss), einige Mitglieder der "Naturwissenschaftler gegen AKWs" (Manuel Kiper), eine kleine Frauengruppe aus der Oststadt (Christa Jungenkrüger), ein Student der Landesplanung (Peter Thoel, der versuchte eine Studentengruppe zu organisieren), Einzelpersonen wie der linksradikale ehemalige Pastor der Studentengemeinde Hermann Bergengruen. Sein Mitgliedsausweis hatte die Nr.17, meiner dann die Nr.18. Als ich auftauchte, wählten die BIU- Leute mich nur zu gern zum Vorsitzenden des KVs.

Mit ca. 20 Mitgliedern gingen wir in den Landtagswahlkampf, mit 120 kamen wir wieder heraus. Dazu mit 3,9% landesweit und dem Anspruch auf eine stattliche Wahlkampfkostenrückerstattung.

Die 3,9% in Niedersachsen und die am selben Wahltermin erzielten 3,5% der Bunten Liste in Hamburg gaben den grün und/oder alternativ Gesinnten in anderen Bundesländern Auftrieb. Schon 3 Monate später fand die Wahl in Hessen statt. Hier hatte sich beflügelt von unserem Erfolg eine GLU gebildet, die aber sofort auf eine Grüne Liste Wählergemeinschaft stieß; und hier intervenierten einige von uns(Helmut Neddermeyer u.a.). Denn für uns war der Antritt zweier grüner Parteien gegeneinander eine Katastrophe. Es gelang uns auch, beide Parteien zum Zusammengehen zu bewegen. Doch als sie und wir stolz verkündeten, aus GLW und GLU werde nun die GLHessen, trat Herbert Gruhl, der die Vorgänge aufmerksam beobachtet hatte, aus der CDU aus, gründete die GAZ und verkündete, er werde damit zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern antreten. In Bayern allerdings stieß er auf einen anderen Altpolitiker: August Haussleiter. Dem gelang es, Gruhls Gründungselan einzufangen, und so trat in Bayern erstmals eine Wählervereinigung unter dem Namen "Die Grünen" an.

[pic4]In Niedersachsen aber wandten wir uns jetzt verstärkt der Konsolidierung unseres Landesverbandes zu. So diskutierten und beschlossen wir auf unserer Landesversammlung Elemente einer alternativen Partei, die wir schon bei den Diskussionen vor der Landtagswahl angedacht hatten, z.B. ein Rotationsstatut und einen Ökofonds zur Unterstützung ökologischer Projekte, für den wir auch gleich 100.000,- DM aus der zu erwartenden Rückerstattung beiseite setzten; - und wir begannen die Diskussion über eine Beteiligung an der Europawahl. Denn das Wahlgesetz hierzu erlaubte auch "sonstige Politischen Vereinigungen". Inzwischen hatten die Ergebnisse der Hessen- und der Bayern-Wahl (1,1% GLH, 0,9% GAZ in Hessen; 1,0% Die Grünen in Bayern) Gruhl vom hohen Roß geholt. Gespräche der drei Parteien, zu denen auch noch weitere Gruppierungen stießen, führten schnell zur Einigung. Mit der Wahlkampfkosten-Rückerstattung aus der Landtagswahl in der Tasche konnten wir den Partnern die Finanzierung, den Druck und den Transport quer durch die Bundesrepublik von Plakaten und Programmen zu allen Initiativen und Gruppen, die für unsere Ideen Wahlkampf machen wollten, anbieten. Sie sollten in den Ländern Koordinationen bilden; und dann sollte auch die Wahlkampfkosten-Rückerstattung nach Abzug der zentralen Kosten nach Maßgabe der erzielten Ergebnisse dezentral aufgeteilt werden. Was wir auf keinen Fall wollten war, daß das Geld in die Sanierung von Parteiapparaten ging, die ohnehin überflüssig wurden, wenn es einmal eine bundesweite grüne Partei geben würde. Gruhl und Haussleiter maulten zwar, mussten aber nachgeben.

Und so kam es zur Aktivierung einer breiten Unterstützung und mit bundesweit 3,2% zum Durchbruch. Auf einem anschließenden Beratungstreffen wollten alle die Gründung der Bundespartei. Gruhl und Haussleiter am liebsten sofort. Wieder legte die GLU sich quer. Denn wir wollten möglichst viele von denen, die uns im Wahlkampf unterstützt hatten, und auch von denen, die als bunte und alternative Listen noch abseits gestanden hatten, in diesen Parteigründungsprozeß mit hineinnehmen. Deshalb wollten wir eine Phase regionaler Programmberatungen einschieben, abzuschließen mit einem bundesweiten Kongreß, der dann am 3./4. November in Offenbach stattfand. Nachdem auch dort wir nochmals unseren Wunschtermin 12./13. Januar gegen diejenigen, die immer sofort und von oben eine Partei gründen wollten, durchgesetzt hatten, riefen wir als GLU-Landesvorstand die KVs auf, nun mit der Umgründung zu beginnen und das als neuen Sammlungsversuch zu gestalten. Der hiesige Kreisvorstand mit Manuel Kiper hat das mit Einladung aller uns nahestehenden Initiativen mustergültig gemacht. Und so kam es denn am 30. November zur Gründung eines Kreisvereins eines zukünftigen Landesverbands (Gründung 9. Dezember) der zukünftigen Bundespartei Die Grünen (12.1.80).

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Thomas Schremmer: Die Kraft der linken Mitte - der heutige Stadtverband Hannover

[pic1]Schaut man sich das Bundestagswahlergebnis der GRÜNEN im Stadtgebiet Hannover auf dem Stadtplan an, dann ist festzustellen: Die GRÜNEN in Hannover sind die Kraft der linken Mitte! Die damit verbundene politische Doppeldeutigkeit ist vielleicht eine Art der Beschreibung unseres heutigen Stadtverbandes. Natürlich sind wir nicht nur in Linden und der Nordstadt zu Hause, aber die Energie und Vielfalt dieser Stadt hat zumindest dort ein grünes Herz und mittlerweile auch eine grüne Mehrheit bei den Wählerinnen und Wählern.

Wir haben uns etabliert - im ganz positiven Sinne - mit unseren Vorstellungen von nachhaltiger Stadtentwicklung und solidarischer Kommunalpolitik, ein durchaus zeigenswertes Erfolgsmodell als Teil einer 20jährigen Mehrheitskoalition. Nun werden die einen sagen, das ist typisch für die bildungsbürgerlichen Stadtgrünen von heute, sie sehen sich als kulturelle Avantgarde und Halbspontis, aber der ‚Mumm’ der frühen Jahre fehlt. Das sollte uns nicht ärgern, es zeigt nur, dass wir als richtunggebende Gestaltungskraft in der Stadtgesellschaft angekommen sind und zwar in allen Altersgruppen und vielen Milieus. Viele unserer Mitglieder und grüne ‚Follower’ wollen Verantwortung für ihr Lebensumfeld übernehmen und tun das auch in Verbänden und Projekten!

[pic5]Es ist auch zu erkennen, dass ein rot-grünes Bündnis dauerhaft auf Zustimmung bei den Einwohnerinnen und Einwohnern stößt, die nach allen Umfragen zu 90% gern in Hannover leben - offensichtlich stimmt der Handlungsrahmen um die Themen Umwelt- und Lebensqualität, Arbeitsmarktchancen und soziale Gerechtigkeit. Dass wir dabei den GRÜNEN Anteil an dieser Zustimmung kontinuierlich erhöhen können, ist so gesehen nicht nur erfreulich, sondern auch verdient, wirft aber eben auch Fragen für die Zukunft dieses Bündnisses mit den Sozialdemokraten auf. Die Eigenständigkeit GRÜNER Inhalte, die den Bundestagswahlkampf ausgemacht hat, reklamieren wir konsequent auch in Hannover, daran wird sich auch jedes zukünftige Kommunalwahlprogramm messen lassen müssen, genauso wie die Entscheidung zur Beteiligung an einer Stadtregierung ab 2011.

Bei der BDK in Rostock ist intensiv über die Frage der "Verortung" der Partei in den politischen Lagern diskutiert worden - manche sehen vielleicht ein "offenes Feld" - mehrheitliches Ergebnis dieser Debatte war letztlich, dass verantwortliche emanzipative GRÜNE Politik ihren Kern in einer so am treffendsten beschriebenen linken Mitte hat. Klar ist in Rostock damit auch geworden, dass GRÜNE Konzepte sich nicht mit beliebigen Mehrheiten umsetzen lassen - Gerechtigkeitsfragen taugen nicht für einen ‚Koalitionsbasar’.

Der alte Kreisverband und heutige Stadtverband hat 30 Jahre nach seiner Gründung mit seinen fast 600 Mitgliedern ein durchaus beneidenswertes Potenzial - mit vielen jungen Leuten und Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensentwürfen - eigentlich die beste Grundlage für debattenreiche und attraktive Parteiarbeit. Was heißt da also "eigentlich"? Ganz klar, höhere Ansprüche und bessere Wahlergebnisse sind eben die eine Seite, dazu gehört aber auch eine Einschätzung, ob und wie wir die daraus entstehenden Anforderungen an Zeit und Engagement erfüllen können. Ganz sicher konkurriert bei fast allen unserer Mitglieder die Parteiarbeit mit anderen familiären und gesellschaftlichen Aktivitäten, natürlich wollen wir im Stadtvorstand diesen ‚Wettbewerb’ auch möglichst oft zugunsten der GRÜNEN Projekte gewinnen - erste Ansätze sind da der "Petra K. Klub" mit dem Mix aus Kultur und politischem Diskurs ohne die ‚Enge’ einer Mitgliederversammlung, oder auch das Ur-GRÜNE Jugendkonzept themenbezogener Aktionsprojekte. Wir sind und bleiben eine Mitmach-Partei, diesen Anspruch zu erhalten und umzusetzen wird also wohl eine zentrale Aufgabe für die nächsten 30 Jahre GRÜN in Hannover sein.

Übrigens: Nach wie vor sind alle Gremien der Partei mindestens mitgliederoffen, die meisten sogar auch zum "Schnuppern" geeignet - weitersagen und selbst zum Beispiel mal dem Vorstand auf die Finger schauen oder Ideen einbringen!

Termine? Kein Problem - in diesen GRÜNEN Seiten oder www.gruene-hannover.de oder anrufen …

Da gilt das Motto der letzten Bundesdelegiertenkonferenz: GRÜN macht Zukunft!

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